Wenn Business sich seiner selbst bewusst wird

Wenngleich Marktwirtschaft zu einem in der Weltgeschichte nie da gewesenen Wohlstand geführt hat, gerät sie zur Zeit immer mehr aus den Fugen. Obwohl die Auswirkungen für alle offensichtlich sind, fällt es uns schwer, etwas daran zu ändern. Anlass zur Hoffnung geben einige Pioniere, die einen wirkliche Unterschied machen: Ausgerichtet auf einen Unternehmenszweck, getragen von einer ganzheitlichen Attitude und durchweg selbstorganisiert lassen sie ihre Wettbewerber alt aussehen – und taugen dabei als Vorbild für ein neues BusinessBewusstes Paradigma

Marktwirtschaft hat gerade einen schweren Stand. Zeitungen und soziale Medien sind voll von Klagen über raffgierige Konzerne. Tenor: Auf Kosten von Mitarbeitern, Kunden, Umwelt und der sozialen Gerechtigkeit setzen sie, nur auf ihren Profit ausgerichtet, unser aller Zukunft aufs Spiel. Burn Out, Konsumterror, Ausbeutung der Ressourcen; alles unmittelbare Folgen unseres Turbo-Kapitalismus. Müssen wir also umdenken? Vielleicht sogar umkehren?

Auf der anderen Seite gibt es keine Bewegung in der Geschichte der Menschheit, die so viele Menschen aus Armut und Abhängigkeit befreit hat wie die freie Marktwirtschaft. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten 85% der Weltbevölkerung in extremer Armut. Heute sind es 16%. Im gleichen Zeitraum stieg das durchschnittliche Pro-Kopf Einkommen um das zehnfache. Ist also alles in Butter und wir sollten schlicht und einfach weiter so machen?

Beide Positionen enthalten einen wahren Kern, ihre Schlussfolgerungen greifen allerdings zu kurz. Wenngleich der Kapitalismus in der Menschheitsgeschichte bei weitem am meisten Wohlstand generiert hat, so scheint er in seiner momentanen Form an seine Grenzen zu stoßen und zu pathologischen Auswüchsen zu neigen. Die Symptome sind vielfältig, drei davon halte ich für zentral:

  • Profit wurde vom Mittel, einen Unternehmenszweck zu erfüllen, zum Zweck selbst. Die Ausrichtung auf Profitmaximierung berücksichtigt nur die Interessen der Investoren. Alle anderen Stakeholder (Mitarbeiter, Zulieferer, Umwelt und manchmal sogar der Kunden) sind dem untergeordnet.
  • Die Komplexität nimmt Überhand. Führungskräfte sollen zugleich motivieren, lenken, anleiten, Visionen entwickeln, gestalten, steuern, Konzepte entwickeln und richtige Entscheidungen treffen. Und alles in einem sich permanent verändernden Umfeld.
  • Die Reduktion des Menschen auf eine Ressource für das Unternehmen. Ressourcen müssen (laut betriebswirtschaftlicher Lehre) bestmöglich (aus)genutzt werden. Dieses „Immer mehr mit immer weniger“ führt zu Überforderung, abfallender Leistung und nicht selten zum BurnOut.

Meine Überzeugung: Wir müssen nicht umkehren, sondern sollten Marktwirtschaft aus einem neuen Bewusstsein heraus verstehen.

Auf dieser Website möchte ich zeigen, wie Business über die selbst erzeugten Probleme hinauswachsen und seiner eigentlichen Bestimmung folgen kann: Mehr Wohlergehen für alle Beteiligten zu erzeugen, die Menschheit in Ihrer Entwicklung voranzubringen und paradoxerweise dabei sogar mehr Profit zu generieren. Oder kurz: Wie kann Business sich seiner selbst bewusst werden?

 

Drei große Unterschiede

In seinem Buch „Reinventing Organizations“ untersucht Frederic Laloux insgesamt zwölf Organisationen, die einen solchen Quantensprung bereits gemacht haben – allesamt hoch erfolgreich. Interessant: Es gibt ein gemeinsames Muster. Wenngleich die Unternehmen auch nichts voneinander wussten, adressierten sie die oben genannten Problemfeldern mit den immer gleichen drei Basisprinzipien:

 

1) Konsequente Ausrichtung auf einen Daseinszweck

Wofür existiert das Unternehmen? Wer hat etwas davon? In welcher Art und Weise macht es die Welt ein Stück besser? Wichtig: Profit ist kein Daseinszweck. Vielmehr ist er nötige Voraussetzung und ein Maßstab für die Güte des Zwecks. Unternehmen, die einen Unterschied machen richten ihre Strategie, Rollen, Verantwortlichkeiten und jede Aktion konsequent auf diesen Zweck aus. Und sind dabei fast immer erfolgreicher, als ihre rein profitgetriebenen Marktbegleiter.  Mehr

 

2) Selbstorganisation

Die Organisation agiert wie ein Ökosystem, dass auf den Unternehmenszweck ausgerichtet ist: Entscheidungen werden eigenverantwortlich dort getroffen, wo sie anfallen. Transparente Steuerungs-Prozesse sorgen für die Integration aller relevanten Perspektiven und die kontinuierliche Optimierung des Unternehmens in „Echtzeit“. Leadership ist über die gesamte Organisation verteilt, klassisches Management ist nicht mehr nötig. Unmöglich? Keineswegs! Mehr

 

3) Ganzheitlichkeit

Ein Organisation besteht einerseits aus Rollen, Verantwortlichkeiten sowie deren Koordination untereinander (Struktur, Prozesse etc.). Andererseits aber auch aus Menschen mit Bedürfnissen, Gefühlen und sozialen Umfeldern sowie einer Organisationskultur, die sich in der Art und Weise des Miteinanders zeigt. Organisationen, die einen Unterschied machen, integrieren alle vier Dimensionen und nutzen das volle Potenzial ihrer MitarbeiterInnen. Mehr

 

Der erste Schritt

Grundsätzlich gibt es genauso viele Möglichkeiten, wie es Organisationen gibt, mit einem solchen Weg zu beginnen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Prinzipien sich gegenseitig positiv beeinflussen. Zu wissen, wofür man jeden Morgen aufsteht (Daseinszweck) fördert die innere Identifikation (Ganzheitlichkeit), diese wirkt sich positiv auf das Übernehmen von Verantwortung aus (Selbstorganisation), was wiederum dafür sorgt, den Zweck besser zu erfüllen usw.

Dennoch hat es sich als hilfreich erwiesen, zunächst diejenigen Strukturen und Prozesse zu schaffen, auf denen die Prinzipien sauber aufsetzen können – vergleichbar einem organisationalem Betriebssystem. Insbesondere das Thema „Selbstorganisation“ läuft in pyramidenartigen Strukturen eher holprig und könnte den Spaß an der Sache verderben, bevor er richtig begonnen hat.

Das Betriebssystem, mit dem ich arbeite, und das sich speziell für diese Anforderungen außerordentlich gut bewährt, heißt Holacracy. Mehr dazu hier.